Luna Ali über Hannah Arendt
Shownotes
Für die vierte Folge der zweiten Fempire-Staffel hat Rasha die Theater- und Prosaautorin Luna Ali als Gästin eingeladen. Lunas großartiger Debütroman „Da waren Tage“ erschien letztes Jahr, in dessen Kapiteln wir den Protagonisten Aras jedes Jahr am Jahrestag der Syrischen Revolution von 2011 an einem anderen Punkt seines Lebens antreffen. Dabei erleben wir nicht nur, wie die Ereignisse in Syrien sich auf Aras‘ Wahrnehmung von Realität und Fiktion auswirken, sondern wie Sprache beim Erzählen zwischen Deutschland und Syrien an ihre Grenzen gerät und immer wieder nach neuen Formen sucht.
Auf Lunas Wunsch hin wagen sich die beiden mit Hannah Arendt an eine der bedeutendsten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts heran. 1906 in Linden bei Hannover geboren und in Königsberg aufgewachsen, studierte sie Philosophie, Theologie und Klassische Philologie und promovierte bei Karl Jaspers. Von der Gestapo verfolgt, flüchtete Arendt 1933 nach Paris und wegen des Vorrückens der Nazis 1941 ein zweites Mal in die USA, wo sie nach achtzehn Jahren Staatenlosigkeit 1951 die Staatsbürgerschaft erhielt. In New York, wo sie bis zu ihrem Tod 1975 lebte, lehrte sie an verschiedenen Universitäten, vor allem aber schrieb sie an einem so bedeutenden wie umfangreichen Werk politischer und philosophischer Texte.
Um die Annäherung an die Werke der politischen Denkerin und Philosophin zu erleichtern, konzentrieren sich die beiden auf Arendts 1951 erstmals unter dem Titel „The Origins of Totalitarianism“ und 1955 auf Deutsch veröffentlichtes Opus magnum „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft: Antisemitismus, Imperialismus, Totalitarismus“ sowie auf ihren deutlich schlankeren Essay von 1943 „We Refugees“ („Wir Flüchtlinge“). Rasha und Luna sprechen über die schreckliche Aktualität von Arendts Werken, über Aktivismus und die Frage nach politischem Handeln, die sowohl Luna wie Arendt in ihren Texten beschäftigt. Außerdem erzählt Luna in einem kleinen Exkurs von ihrer Reise nach Syrien Anfang dieses Jahres. Bei alldem fragen sich Rasha und Luna immer wieder: was hätte wohl Hannah Arendt dazu zu sagen?
Erwähnt wurden:
Margarethe von Trotta (Regie), Hannah Arendt: ihr Denken veränderte die Welt, 2012.
Hannah Arendts 1943 im Menorah Journal veröffentlichter Essay „We Refugees“: Hannah Arendt, Wir Flüchtlinge, 1986. Aus dem Engl. von Eike Geisel.
Das Theaterstück an dem Luna mitgewirkt hat: andcompany&Co., Café Casablanca: Everybody Comes To Stay!, 2017.
Michael Curtiz (Regie), Casablanca, 1943.
Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft: Antisemitismus, Imperialismus, Totalitarismus, 1955. Das Werk erschien erstmals auf Englisch 1951 unter dem Titel „The Origins of Totalitarianism“. Luna und Rasha beziehen sich im Podcast vor allem auf Kapitel 9: „Der Niedergang des Nationalstaates und das Ende der Menschenrechte“.
Hannah Arendt, Wahrheit und Lüge in der Politik: zwei Essays, 2013. Der Band enthält die Essays „Die Lüge in der Politik“ (1971 mit dem Titel „Lying and Politics“ und 1972 in deutscher Fassung erschienen) und „Wahrheit und Politik“ (1967 unter dem Titel „Truth and Politics“ und 1969 auf Deutsch veröffentlicht).
Der von Rasha erwähnte close-reading-Podcast zu Hannah Arendts Werken: Hannah Arendt Center, Reading Hannah Arendt with Roger Berkowitz.
Das andere von Luna erwähnte Theaterstück an dem sie als Co-Autorin beteiligt war: andcompany&Co., FAKE YOUTH, 2019.
Der New Yorker-Essay, der die Kontroverse um die Verleihung des Hannah-Arendt-Preises für politisches Denken an Masha Gessen ausgelöst hat: Masha Gessen, The Shadow of the Holocaust, 2023.
Hannah Arendts vermutlich um 1967 verfasster, erst posthum veröffentlichter Essay: Hannah Arendt, Die Freiheit frei zu sein, 2018. Aus dem Engl. von Andreas Wirthensohn.
Günter Gaus im Gespräch mit Hannah Arendt: Zur Person: Hannah Arendt, die politische Denkerin, 1964.
Die von Rasha erwähnten Beiträge in denen Eva von Redecker über Hannah Arendt spricht: SRF Kultur Sternstunde Philosophie, Eva von Redecker über Hannah Arendt: Wir müssen lernen zu streiten, 2018 und UM Politics Talk, Eva von Redecker: Hannah Arendt als Zeitgenossin, 2023.
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